Demenz: Blutwerte könnten frühzeitig auf Verlust von Nervenverbindungen hindeuten
Forschende des DZNE und des Universitätsklinikums Ulm haben im Blut ein Protein identifiziert, das den Abbau von Nervenverbindungen möglicherweise schon Jahre vor dem Auftreten von Demenzsymptomen anzeigen kann. Wenn sich diese Hinweise bestätigen, könnte die Erfassung dieses Proteins namens „Beta-Synuclein“ zur Früherkennung einer Alzheimer-Erkrankung beitragen und eventuell auch helfen, Nervenschäden infolge eines Schlaganfalls oder Schädel-Hirntraumas einzuschätzen. Die im Fachjournal „Annals of Neurology“ (Print-Ausgabe) veröffentlichten Befunde beruhen auf Untersuchungen an 84 Erwachsenen, darunter 61 Menschen mit Down-Syndrom. An der Studie waren auch Fachleute des LMU Klinikum München und der Universitätsmedizin Halle (Saale) beteiligt.
„Unsere Daten deuten darauf hin, dass der Pegel von Beta-Synuclein im Blut schon im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung ansteigt und dass dies mit der Zerstörung von Nervenverbindungen, sogenannten Synapsen, zusammenhängt“, erläutert PD Dr. Patrick Öckl, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Ulm und an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Ulm. „Wir haben hier also einen potenziellen Biomarker, der helfen könnte, eine sich anbahnende Demenz frühzeitig zu erkennen – schätzungsweise mehr als zehn Jahre bevor sich Symptome bemerkbar machen.“ Diagnose und Behandlung einer Alzheimer-Erkrankung erfolge bislang viel zu spät, so der Wissenschaftler: „Dann ist das Gehirn schon massiv geschädigt. Wir müssen früher ansetzen, um die Chancen zu erhöhen, der Erkrankung wirksam Paroli bieten zu können. Das Beta-Synuclein könnte dafür eine Möglichkeit auftun. Noch sind aber weitere Untersuchungen nötig, um unsere Befunde zu bestätigen.“
Down-Syndrom geht mit Demenz einher
Die aktuellen Studienergebnisse beruhen auf Untersuchungen an 61 Menschen mit Down-Syndrom (auch bekannt als „Trisomie 21“) und 23 kognitiv gesunden Erwachsenen. Das Ulmer Team um Patrick Öckl kooperierte dabei mit Fachkolleginnen und -kollegen aus München und Halle an der Saale. „Menschen mit Down-Syndrom sind von einer erblich bedingten Entwicklungsstörung des Gehirns betroffen und die meist eine Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten zur Folge hat. Außerdem verstärken ihre Erbanlagen molekulare Prozesse, die an der Entstehung von Alzheimer beteiligt sind. Das Down-Syndrom geht daher mit einer genetisch bedingten Form der Alzheimer-Erkrankung mit frühem Symptombeginn einher. In der Regel geschieht dies jenseits des 40. Lebensjahres“, so Prof. Johannes Levin, Neurologe am DZNE-Standort München und Leiter der Ambulanz am LMU Klinikum München für Menschen mit Down-Syndrom und kognitiven Störungen. „Aus dem Studium des Down-Syndroms kann man so manches über Demenz erfahren. Wir vermuten, dass die Vorgänge, die hier in besonders ausgeprägter Weise stattfinden, auch bei Menschen mit Alzheimer aber ohne Down-Syndrom geschehen.“
Breites Einsatzpotential
Falls weitere Studien die aktuellen Befunde bestätigen, kämen für den Beta-Synuclein-Marker diverse Anwendungen in Betracht: „Für Medikamentenstudien zur Alzheimer-Erkrankung wäre ein synaptischer Blut-Marker sehr hilfreich, um Behandlungseffekte zu erfassen, um also festzustellen, was ein experimenteller Wirkstoff im Gehirn auslöst. Das würde das Bild, das die schon etablierten Marker vermitteln, sinnvoll ergänzen“, so Prof. Markus Otto, Leiter der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Halle, der an den aktuellen Untersuchungen ebenfalls maßgeblich mitwirkte. „Eine weitere Anwendung sehe ich bei der Demenzvorsorge und Früherkennung. Die Möglichkeit, das Beta-Synuclein im Blut zu messen, bedeutet eine deutliche Erleichterung für Patienten im Vergleich zu den derzeit üblichen Untersuchungen des Nervenwassers.“
Otto ergänzt: „Wenn man bedenkt, dass Synapsen beispielsweise auch bei Schädel-Hirntraumata und Schlaganfällen verloren gehen, ist die Bedeutung des Beta-Synucleins noch weitreichender. Auch hier könnte der Marker helfen, Nervenschädigungen einzuschätzen und damit zu einer besseren Diagnostik und Therapie maßgeblich beitragen.“
Quelle: DZNE