Parkinson: α-Synuclein wahrscheinlich nur Biomarker

Pathogenetisch kommt es bei M. Parkinson zu alpha-Synuclein-Ablagerungen im Gehirn. Deshalb hoffte man, durch das Unterbinden solcher Proteinaggregationen auch die Krankheitsprogression eindämmen zu können. Zwei Antikörper mit diesem Wirkprinzip enttäuschten nun in Studien. Die Forschung an einer ursächlichen Therapie müsse dennoch forciert fortgeführt werden, erklärt Prof. Lars Timmermann, stellv. Präsident der DGN.

Bei Morbus Parkinson gehen Nervenzellen in der Substantia nigra zu Grunde. Folge ist ein Mangel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn, der gebraucht wird, um Nervenreize weiterzuleiten. Befehle des Gehirns an die Muskeln kommen bei einem Dopaminmangel nur verzögert, unvollständig oder gar nicht an. So entstehen die für Parkinson typischen motorischen Symptome, die reduzierte Beweglichkeit, die steifen Muskeln und das Ruhezittern. Was genau dazu führt, dass Nervenzellen in der Substantia nigra absterben, ist bislang ungeklärt. Bisher wurde vermutet, dass α-Synuclein-Ablagerungen den degenerativen Prozess verursachen können, da die für die Krankheit typischen Lewy-Körperchen, runde Einschlüsse im Zytoplasma von Nervenzellen, aus α-Synuclein bestehen. Daher war die Hoffnung groß, mit α-Synuclein-bindenden Antikörpern eine ursächliche Therapie gegen die Parkinson-Krankheit in der Hand zu haben. Diese Hoffnung wurde jedoch enttäuscht. Zwei Mitte letzter Woche im „The New England Journal of Medicine“/NEJM publizierte randomisierte placebokontrollierte Phase-2-Studien ergaben, dass zwei verschiedene α-Synuclein-bindende Antikörper, Cinpanemab und Prasinezumab, bei Patientinnen und Patienten in frühen Erkrankungsstadien der Parkinsonerkrankung keine nennenswerten Effekte hatten, weder auf die klinische Progression der Erkrankung noch auf Veränderungen in der zerebralen Bildgebung.

In der ersten Studie [1] wurde Cinpanemab placebokontrolliert im 2:1:2:2-Design gegeben. Verglichen wurde der Effekt des Medikaments in der vierwöchentlichen Gabe von 250 mg, 1.250 mg, 3.500 mg und Placebo über 52 Wochen. Insgesamt 357 Patientinnen und Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Folgen sollte eine dosisverblindete Verlängerung über 112 Wochen. Nach der Zwischenauswertung in Woche 72 wurde die Studie jedoch wegen mangelnder Wirksamkeit der Substanz vorzeitig abgebrochen. Primärer Endpunkt der Auswertung waren Veränderungen nach 52 und 72 Wochen auf der sogenannten Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS), einer Skala zur klinischen Verlaufsbeobachtung. Sekundär wurden Veränderungen mittels MDS-UPDRS-Subskalen sowie in der funktionellen Bildgebung (DaT-SPECT) untersucht. Die Veränderungen auf der MDS-UPDRS-Skala (je höher der Wert, desto schlechter der klinische Zustand) betrug nach Woche 53 10,8 in der Kontrollgruppe, 10,5 in der 250 mg-Gruppe, 11,3 in der 1.250 mg-Gruppe und 10,9 in der 3.500 mg-Gruppe. Die Ergebnisse waren damit nicht signifikant unterschiedlich. Auch im Hinblick auf die sekundären Endpunkte konnten keine Unterschiede festgestellt werden. Häufige Nebenwirkungen unter Cinpanemab waren Kopfschmerzen, Nasopharyngitis und Stürze.

Ebenso enttäuschend fielen die Ergebnisse der Studie mit Prasinezumab [2] aus, die im 1:1:1-Design durchgeführt worden war. 316 Patientinnen und Patienten erhielten entweder ein intravenöses Placebo oder i.V.-Prasinezumab in den Dosierungen 1.500 mg oder 4.500 mg. Auch hier wurden als primärer Endpunkt Veränderungen im MDS-UPDRS erhoben und im sekundären Endpunkt wurde der dopaminerge Neuronenverlust mittels der Dopamin-Transporter-Hirnszintigraphie (DaT-SPECT) beurteilt. Die Veränderungen auf der MDS-UPDRS betrugen nach 52 Wochen 9,4±1,2 in der Placebogruppe, 7,4±1,2 in der niedrig dosierten Verumgruppe (1.500 mg) und 8,8±1,2 in der hochdosierten Verumgruppe (4.500 mg) und waren damit nicht signifikant. Auch gab es keine substanziellen Unterschiede in der Bildgebung. Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeichnete sich aber ab: Die Studie war in drei Phasen unterteilt (Phase 1: Woche 0-52, Phase 2: Woche 56-104 und Phase 3: eine fortlaufende 5-Jahres-Fortführung) und wie der Autor des begleitenden Editorials im NEJM [3] hervorhebt, sei ein Hinweis in Phase 3 darauf gefunden worden, dass die Gabe von niedrigdosiertem Prasinezumab die Progression des sekundären Endpunkts verlangsamen könnte, – und er motiviert die Forschungsgemeinde mit einem Churchill-Zitat, die Studienarbeiten zu diesem Therapieansatz weiterzuführen: „Erfolg ist die Fähigkeit, von einem Misserfolg zum anderen zu gehen, ohne seine Begeisterung zu verlieren.“

Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass es sich bei α-Synuclein lediglich um einen Biomarker der Erkrankung, nicht aber um ihren pathogenetischen Treiber handelt – und somit eine zielgerichtete Therapie gegen α-Synuclein ins Leere läuft.

Prof. Dr. Lars Timmermann, Marburg, stellv. Präsident der DGN

Ähnliches habe man auch beim Morbus Alzheimer gesehen, als die Studien mit einem Antikörper, der Beta-Amyloid im Gehirn, das vermeintliche krankheitsverursachende Agens, abbaut, keinen Effekt zeigen konnten. Während man dort noch spekuliert habe, dass die Substanz in den Studien zu spät eingesetzt worden war, hat man in den beiden vorliegenden Studien die α-Synuclein-bindende Antikörper ausschließlich an Patientinnen und Patienten in frühen Parkinson-Erkrankungsstadien erprobt. „Die nun vorliegenden Daten sind deswegen relativ ernüchternd: bei einer Ursache-Wirkungskette zwischen α-Synuclein und Parkinson-Progression hätten die Ergebnisse zumindest im Trend positiv ausfallen müssen“, erklärt der Marburger Parkinsonexperte.

Ganz pessimistisch beurteilt Timmermann die Lage dennoch nicht: „Derzeit wird auch an sogenannten „small molecules“ und RNA-basierten Therapieansätzen geforscht, um die vermeintlich pathogenen Proteinaggregationen zu unterbinden. Es bleibt abzuwarten, ob diese Substanzen möglicherweise mehr Wirkung zeigen.“ Hinzu komme, dass man zwar von „der“ Parkinson-Krankheit spricht, sich dahinter aber viele verschieden Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Verläufen verbergen. Ein Ziel müsse es daher sein, die Subtypen besser zu klassifizieren und Therapieoptionen an den einzelnen Erkrankungstypen zu testen. „Eine Studie zu einem für einen Tumortyp wirksamen Krebsmedikament würde wahrscheinlich auch negativ ausfallen, wenn Krebspatientinnen und -patienten mit verschiedenen Tumorerkrankungen eingeschlossen würden. Die Forschung an einer ursächlichen Parkinson-Therapie sollte also forciert weiterbetrieben werden.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

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