Bakterien nutzen radioaktive Elemente

Ein Team um die LMU-Chemikerin Lena Daumann hat erstmals nachgewiesen, dass Bakterien bestimmte radioaktive Elemente nutzen können, um ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten.

Methanol verwertende Bakterien wachsen auch, wenn sie anstelle bestimmter Seltener Erden deren radioaktive Verwandte angeboten bekommen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, radioaktiv verseuchte Böden durch den Einsatz von Bakterien zu dekontaminieren oder bestimmte Actinoide und Lanthanoide voneinander zu trennen. Dies ist das Ergebnis einer in der der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlichten Studie.

Lanthanoide werden als Teil der sogenannten Seltenen Erden vielfach in der Elektronik und Energietechnik eingesetzt. Mit einer Ausnahme sind sie nicht radioaktiv, kommen in der Erdkruste häufig vor, und manche, wie zum Beispiel Lanthan und Neodym, sind sogar für den Stoffwechsel bestimmter Bakterien essenziell. Actinoide sind ihre schwereren, zumeist nicht natürlich vorkommenden und radioaktiven Gegenstücke mit den bekannten Vertretern Uran und Plutonium. Lena Daumann von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat nun mit einem internationalen und interdisziplinären Forschungsteam entdeckt, dass methylotrophe Bakterien die essenziellen Lanthanoide durch Actinoide ersetzen können.

Bakterien können für ihren Stoffwechsel Lanthanoide durch Actinoide ersetzen

Methylotrophe Bakterien verwerten Methanol mit Hilfe eines Methanol-oxidierenden Enzyms, und dieses Enzym enthält Lanthanoid-Ionen. Die Forscher*innen beobachteten nun, dass die Bakterien anstelle von Lanthanoid-Ionen auch Actinoid-Ionen in das Enzym einbauen können und dadurch ihr Überleben sichern. Das funktionierte besonders gut, wenn der Ionenradius des Actinoid-Ions mit dem des entsprechenden Lanthanoid-Ions übereinstimmte und es ebenfalls einen stabilen Oxidationszustand +III aufwies. Die Bakterien waren sogar wählerisch und suchten sich aus einer angebotenen Elementmischung gezielt die Actinoiden Americium und Curium anstelle mancher Lanthanoiden heraus, schreiben die Wissenschaftler*innen.

Als entscheidend erwies sich der stabile Oxidationszustand +III, den Americium und Curium aufwiesen. „Als wir Plutonium einsetzten, von dem wir wissen, dass es höhere Oxidationsstufen hat, wuchsen weder unsere Bakterien, noch funktionierten die isolierten Enzyme,“ erzählt Daumann. Die Aufnahmefähigkeit der Bakterien für Actinoide könnte für künftige Anwendungen nützlich sein: Das Team möchte das Potenzial der Bakterien erforschen, Actinoide aus radioaktivem Abfall zu extrahieren oder aus Gemischen zu trennen.

Actinoide wie Plutonium, Americium und Curium werden unter anderem in Kernreaktoren erzeugt und finden vielfältige Verwendung – Americium dient sogar als Quelle ionisierender Strahlung in kommerziellen Rauchmeldern. Wegen ihrer Gefährlichkeit und Radioaktivität ist die Handhabung von Actinoiden jedoch auf speziell lizensierte Labore beschränkt, und ein unkontrollierter Eintrag in die Umgebung wäre ein großes Problem. „Diese Bakterien könnten eingesetzt werden, um radioaktive Elemente zu binden“, gibt Daumann einen Ausblick auf die Zukunft.

Über den Autor / die Autorin

Lena Daumann ist Professorin für Chemie am Department Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mittels Modellkomplexen, kinetischen Studien und spektroskopischen Techniken untersucht ihre interdisziplinäre Forschungsgruppe die Rolle von Lanthanoiden in Bakterien und Enzymen.

Quelle: Ludwigs Maximilians-Universität München und Wiley Online Library

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